Mitteilen

„Der erste Anfang der Dichtkraft scheint der zu sein, dass bekannte Bilder auf fremde Gegenstände übertragen werden. Zu gleicher Zeit liegt hierin eine willkürliche und selbstgemachte Ideenassoziation, der erste Grund aller Sprache, aller Kunst, durch Zeichen sich verständlich zu machen.“
D. Tiedemann 1787, Beobachtung über die Entwicklung der Seelenfähigkeiten bei Kindern

Die grundlegendste Funktion der menschlichen Sprache in der alltäglichen Kommunikation besteht wahrscheinlich darin, Erlebnisse, Beobachtungen, persönliche Befindlichkeiten, Pläne und Wünsche miteinander zu teilen.

 

Im Gegensatz zu einfachen Mitteilungen sind Erzählungen ausführlichere Darstellungen persönlicher Erfahrungen, Erlebnisse und Beobachtungen. Diese können sowohl eigene Erzählungen als auch von anderen übermittelte Geschichten sein, wobei die Grenzen oft verschwimmen. Während Mitteilungen hauptsächlich darauf abzielen, dem Gegenüber Informationen zu vermitteln, die ihm zuvor unbekannt waren, enthalten Erzählungen oft persönliche Bewertungen von Erlebnisinhalten und/oder Verknüpfungen zu anderen emotional geprägten Erfahrungen.

 

Vor allem in der englischsprachigen Literatur sind zahlreiche Untersuchungen zu den sogenannten „Narratives“ zu finden, einem Begriff, der erfahrungs- oder erlebnisbetonte Erzählungen beschreibt.

 

Das Erlernen des Erzählens ist gleichzeitig ein Erlernen der sprachlichen Kultur innerhalb der jeweiligen Sprachgemeinschaft, in der eine spezifische Perspektive auf Ereignisse, Individuen und soziale Interaktionen eingebettet ist.

 

Bereits in der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres sind erste Anzeichen von Mitteilungen und Erzählungen erkennbar. Das Kind richtet sich an sein Gegenüber und teilt kleine Fragmente aus seiner begrenzten Erinnerungswelt mit. Meist handelt es sich um emotional eindrucksvolle Erlebnisse aus seinem Alltag, die mehrere Tage zurückliegen können. Selbst Bildgeschichten oder Märchenerzählungen können langanhaltende Eindrücke hinterlassen. Da die Eltern oft ein profundes Verständnis dieser Erlebniswelt besitzen, erkennen sie oft sofort den Kontext und das Thema oder sie nutzen einen dialogischen Ansatz, um mehr Informationen zu erhalten. Sie fassen oft das Wesentliche dessen, was das Kind ausdrücken möchte, zusammen und fügen möglicherweise zusätzliche Details hinzu.

 

Häufig kommt es auch vor, dass die Eltern eine kindliche Gesprächsinitiative zu einem bestimmten Thema nutzen, um auf ein ähnliches Erlebnis in der Vergangenheit zu verweisen. Sie ermitteln sozusagen das am besten passende Ereignis in der zurückliegenden Zeit, in der die gleichen Objekte oder Gegebenheiten eine Rolle spielten. In den nachfolgenden Dialogen stellen sie zum Beispiel eine Verbindung zwischen einer Maske und einem Clown her oder zwischen der Handlung eines Tauchers im Wasser und den eigenen Handlungen am Wasser.

ALTER: 3;0,28

SITUATION: Kind versucht eine Maske auf eine dazugehörige Figur zu setzen und sagt:

KIND: Der setzt den, der setzt den auf

ERWACHSENER: Die Maske, ja.

KIND: Die Maschke

ERWACHSENER: Die Maske

 

-> Die erwachsene Person erinnert sich an ein ähnliches Ereignis, das in näherer Vergangenheit stattgefunden hat

ERWACHSENER: Gestern war da auch ein Clown beim Fest. Der war ganz groß, ne? Der hatte die vielen Luftballons und sah auch so aus, ne?

ALTER: 2;11;9

SITUATION: Das Kind zeigt dem Vater einen Taucher, der etwas aus dem Meer geholt hat.

KIND: Ein Feuer!

ERWACHSENER: Nein, im Meer gibt es kein Feuer. Das Feuer geht aus, sobald da Wasser ist. Aber vielleicht bringt der Taucher eine Muschel vom Meeresgrund mit.

 

-> Die erwachsene Person erinnert sich an ein ähnliches Ereignis, das in etwas längerer Vergangenheit (1 Woche) stattgefunden hat

ERWACHSENER: Was haben wir mit dem Fisch gemacht, den wir neulich aus dem Meer geholt haben?

KIND: Weiß ich nicht.

ERWACHSENER: Den haben wir wieder zurück ins Meer getan.

Im folgenden Austausch bringt das Kind seine Pläne bezüglich einer Handlung und sein Wissen über ein bestimmtes Objekt zum Ausdruck. Die Eltern gehen dann näher darauf ein, erörtern die Thematik oder vertiefen die Unterhaltung. Besonders im zweiten Dialog erhält das dreijährige Kind bereits Einblicke in die Entwicklungsgeschichte des Bügeleisens.

Mitteilung von Handlungsabsichten:

ALTER: 2;5,24

SITUATION: In den letzten Tagen hat das Kind oft zugesehen, wie der Opa im Keller mit Werkzeug gearbeitet hat. Jetzt rennt es zur Zimmertür und sagt:

KIND: Will ein Trabensier, will ein Trabensier hol’n (Schraubenzieher)

ERWACHSENER: Was willst du herholen?

KIND: Will ein Traubensier holen

ERWACHSENER: Nein, jetzt nicht

KIND: Doch

ERWACHSENER: Nein

KIND: Doch, warum nich?

ERWACHSENER: Nein, weil ich hier oben keinen habe.

KIND: Nein

ERWACHSENER: Nein, jetzt nicht. Dann gehst du nachher mit Opa einen holen, ja?

KIND: Mm

ERWACHSENER: Aber hier oben nicht.

Mitteilung von Objektwissen:

ALTER: 3;2,8

SITUATION: Beim Monopoly-Spiel nimmt das Kind die Bügeleisen-Spielfigur und sagt:

KIND: Das is kein Bügeeisen

ERWACHSENER: Doch, das ist eins. So sahen die früher aus. Die hat man früher auf den Ofen gestellt, in den Ofen rein und dann wurden die ganz heiß. Da war Kohle drin, oder die wurden so ganz heiß gemacht. So sehen die aber heute nicht mehr aus.