Fragen

„…das ‚Da‘ …kann frei in alle Richtungen des Raumes hineinwirken. Hier also tauchen zwei für die Sprache charakteristische Züge auf: dass sie, aus dem unmittelbar praktischen Vollzug herausgelöst, ein ‚Medium‘ wird und dass mit dessen Hilfe der Sprechende frei auf beliebige Gegenstände weisen kann.“
B. Snell 1952, Der Aufbau der Sprache

Besonders im dritten Lebensjahr ist häufig ein starkes Interesse am Fragen zu beobachten. Es scheint, dass das Kind Freude am Fragen selbst hat. Oft hört man endlose „Warum“-Fragen. Diese Fragen können den Gefragten oft vor Herausforderungen bei der Beantwortung stellen.

Fragen spielen auch in der Machtanalyse von E. Canetti eine Rolle. Fragen dienen als Mittel des „Eindringens“. Fragen haben die Absicht, Dinge in ihre Einzelteile zu zerlegen, was durch Schweigen vermieden werden kann. Eltern sind oft in der Lage, diese Art von Fragen zu beantworten, aber sie können auch dazu führen, dass das Kind sich zurückzieht. Die Reaktionen auf wiederholtes Fragen helfen dem Kind, soziale Normen zu lernen und einzuschätzen.

Im 2. Lebensjahr beginnt das Kind bereits Fragen zu stellen. Diese Fragen können unterteilt werden in:

 

  1. Fragen, die auf den Wissenserwerb abzielen
  2. Fragen, die das Geschehen in der Umgebung verstehen wollen

Bei Fragen nach Wissen über die Umwelt fragt das Kind oft nach der Identität von Objekten und hinterfragt, ob diese so sind, wie es sie interpretiert. Typische Beispiele sind:

 

  • „Was ist das?“
  • „Ist das eine Gabel?“

Bei Fragen, die das Verstehen der Umwelt betreffen, dreht es sich oft um die Handlungen von Personen oder den Ort von Personen. Beispiele sind:

 

  • „Mama, was machst du?“
  • „Holst du das Buch?“

Das markante „Warum“ taucht im dritten Lebensjahr auf und kann im vierten Jahr intensiviert werden. Eltern teilen oft umfangreiches Wissen über die Welt, Handlungen und Verhalten. Allerdings wird das „Warum“ weniger als Dialogöffner verwendet, sondern eher als Reaktion auf von den Eltern gehörte Hinweise, Erklärungen und Anweisungen.

Die nachfolgenden Dialoge veranschaulichen den Gebrauch von „Warum“ im kindlichen Sprachverhalten. Die Fragen ermöglichen ein tiefes Verständnis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen und normativem Verhalten.

Dialog über eine brennende Feuerwehr:

 

KIND: L.

ALTER: 3;3,28

SITUATION: Die Mutter erzählt aus einem neuen Bilderbuch. L. zeigt auf eine Feuerwehr in einem brennenden Wald und fragt: KIND: Warum ist die Feuerwehr da? ERWACHSENER: Warum ist die Feuerwehr da?

KIND: Ja.

ERWACHSENER: Weil der Wald brennt, siehst du doch!

KIND: Warum brennt der Wald?

ERWACHSENER: Das könnte jemand aus Versehen gemacht haben, zum Beispiel jemand, der eine brennende Zigarette auf den Waldboden geworfen hat und sie nicht ausgetreten hat. Dadurch glüht es, und es könnten Holzstückchen oder Nadeln von den Bäumen dort liegen, die sich vom Feuer an der Zigarette entzünden. Dadurch fängt der Wald Feuer, und das ist wirklich schlimm.

KIND: Jetzt kommt die Feuerwehr.

ERWACHSENER: Genau, die Feuerwehr kommt und versucht, das Feuer zu löschen. Aber das ist schwer, weil der Wald aus Holz besteht, das gut brennt. Es ist schwierig zu löschen, das ist wirklich schlimm. Und die Tiere dort drinnen, denen geht es nicht gut.

KIND: Warum nicht?

ERWACHSENER: Wenn sie nicht rechtzeitig weglaufen können, bleiben sie im Feuer gefangen und müssen sterben.

KIND: Da kommt die Feuerwehr.

ERWACHSENER: Ja, die Feuerwehr versucht noch zu retten, was geht.

KIND: Warum?

ERWACHSENER: Warum? (lacht und blättert weiter)

 

 

Umgekehrte Fragestellung:

 

In diesem Dialog stellt die Mutter die Frage „Warum?“ zurück. Normalerweise ist es das Kind, das oft mit „Warum?“ fragt. Interessanterweise stellt in diesem Fall die Mutter die Frage mit „Warum?“ zurück. Doch im selben Dialogbeitrag stellt das Kind nach seiner offensichtlich schwierigen Suche nach einer Begründung erneut die Frage „Warum?“.

 

KIND: L.

ALTER: 3;0,1

SITUATION: L. zeigt der Mutter ein Teil ihrer Angelspiel-Verpackung und sagt:

KIND: Schau mal, weggetan das.

ERWACHSENER: Warum?

KIND: Weil das, hier so, weil das hier, warum habe ich das herausgenommen?

ERWACHSENER: Ich weiß es nicht (lacht).

KIND: Ist das lustig?

ERWACHSENER: Weil du es lustig findest!