Beim Eintritt ins Leben besitzt das neugeborene Kind die besondere Fähigkeit, eine größere Anzahl an Phonemen (etwa 70) als die für seine Muttersprache (beispielsweise im Falle Deutschlands 40) zu unterscheiden.
Sobald es die Welt durch seine Sinne wahrnimmt, führt es in Abfolge rege Kommunikation mit seinen Eltern durch. Dabei nehmen sie intuitiv an den Sprachmuster des Babys an und nutzen seine Wachintervalle zur Sprachförderung, zum Spielen, Schmusen und zur Erkundung der Umgebung.
Während des bloßen Zuhörens der Mutter, erhält das Kind wesentliche Informationen über den Aufbau seiner Muttersprache.
Kinder machen sich regelmäßig wiederkehrende Strukturen bei den Geräuschen der Muttersprache zu Nutze. Dies wird durch die Speicherung von Lauten abhängig von ihrer Häufigkeit und Ähnlichkeit ermöglicht.
Auf Basis der Säuglingsgerichteten Sprache (IDS = Infant-Directed-Speech) stellt das Kind einen Zusammenhang her zwischen melodisch-rhythmischen Strukturen und kommunikativen Sprachfunktionen.
Die Sprachentwicklung zwischen dem 6. und 9. Monat ist ein entscheidender Meilenstein für Säuglinge, da sich ihr muttersprachliches Lautinventar weiterentwickelt und im Sprachgedächtnis verankert wird.
Infolgedessen reagieren sie zunehmend auf die Lautkontraste, die sie bisher in ihrer Muttersprache wahrgenommen haben.
Zum Beispiel können englischsprachige Säuglinge möglicherweise den Unterschied zwischen dem im Deutschen vorkommenden langen „ü“ und dem in beiden Sprachen vorkommenden langen „u“ nicht erkennen.
Dies liegt daran, dass sie bisher nur mit den spezifischen Lauten ihrer Muttersprache vertraut sind.
Während dieses Zeitraums nehmen Säuglinge auch Nuancen in den Tonhöhenverlaufsmustern ihrer mütterlichen Sprache wahr.
Sie beginnen zu erkennen, dass unterschiedliche Tonhöhenverläufe in verschiedenen Kontexten, wie schimpfendes, bestätigendes oder bittendes Sprechen, eine unterschiedliche Bedeutung haben können.
Diese Fähigkeit, die melodischen Aspekte der Sprache zu erfassen, legt den Grundstein für die spätere Entwicklung ihrer kommunikativen Fähigkeiten.
Darüber hinaus zeigen Säuglinge in diesem Alter verstärktes Interesse an der Kommunikation mit anderen und nehmen aktiv an sozialen Interaktionen teil.
Babys beginnen, Laute gezielt zu produzieren und versuchen, mit Lauten und Lautfolgen zu experimentieren. Dieser Prozess ist entscheidend für die weitere Entwicklung ihrer Sprachkompetenz.
In den frühen Entwicklungsstadien weiß ein Kind noch nicht viel über die Gegenstände in seiner Umgebung. Um später Wörter mit diesen Gegenständen in Verbindung bringen zu können, muss es sie als „Erkenntniseinheiten“ in seinem Gedächtnis speichern.
Dieser Prozess wird als Aufbau der Objektkonstanz bezeichnet. Dadurch können zum Beispiel Spielgegenstände im unmittelbaren Wahrnehmungsraum wiedererkannt werden, da sie als dieselben erkannt werden, selbst wenn sie aus dem Sichtfeld verschwinden und wieder auftauchen.
Allerdings besitzt das Kind zu diesem Zeitpunkt noch kein raum- und zeitunabhängiges Existenzbewusstsein von diesen Gegenständen, d.h., es kann sie sich noch nicht vorstellen, wenn sie außer Sichtweite sind.
Im Bereich der wahrgenommenen Sprache beginnt das Kind, betonte und/oder am Ende stehende Äußerungseinheiten wie Wortteile, Wörter und Wortverbindungen wahrzunehmen.
Oftmals ahmt es diese Äußerungen nach. Diese sprachlichen Einheiten tragen häufig den Mitteilungsschwerpunkt und werden von Kindern als relevante und bedeutungstragende Teile der Kommunikation erkannt.
Erste Wörter erscheinen. Das Kind beginnt, eine Beziehung zwischen den Wörtern und der Gegenstandswelt aufzubauen.
In der Mitte des 2. Lebensjahres sind sog. Übergeneralisierungen (Bedeutungsüberdehnungen) zu beobachten („Ado“ steht z.B. für Autos, Rasenmäher, lose Räder, Ente mit Rädern, Computertisch mit Rädern).
Aktionswörter stehen für verschiedene Effekte („alle alle“ wird z.B. gebraucht, wenn eine Tasse leer getrunken wurde, ein Gegenstand gesucht wird oder das Kind feststellt, dass sich ein Spielzeugrad nicht mehr dreht).
Die Gegenstandswelt wird als unabhängig vom Selbst und dem Wahrnehmungsraum erkannt.
Es erscheinen erste bedeutungsstabile Wort-Objekt-Zuordnungen, die späteren Substantive; aus Aktionswörtern entstehen erste Verben; das Kind beginnt, in elementaren Formen auf räumlich-zeitlich nicht Präsentes zu verweisen; erste „Ich-Verweise“ mit Eigennamen erscheinen.
Das Kind initiiert auch nun verstärkt Dialoge und analysiert aufmerksam die im Dialog gehörte Elternsprache.
Mütter stimmen den Inhalt ihrer Dialogbeiträge sehr fein auf das momentane Fassungsvermögen ihres Kindes ab, und sie haben ein Gespür für die nächste Entwicklungsphase.
Sie (natürlich auch Väter) vermitteln implizit feingefächertes Elementar-Wissen über die Welt, über den Aufbau der Muttersprache und über die Anwendung der Sprache im Dialog.
Ideen, Wünsche und Erlebnisse werden in Sätzen übermittelt. Die ersten grammatikalischen Morpheme (Flexive) und Funktionswörter erscheinen als satzbildende Elemente.
Aber: Jemand, der in der Sprechsituation des Kindes nicht dabei war oder kein Vorwissen über den Inhalt der kindlichen Äußerung hat, kann oft noch nicht das Mitgeteilte verstehen.
Die Mutter ist jedoch der perfekte Kenner und deshalb ein wichtiger Promotor der kindlichen Sprachentwicklung.
Die ersten grammatikalischen Kategorien (Subjekt, Prädikat) sind entwickelt. Die ersten Kasusflexive erscheinen (Besitzer-Markierung: „Annes Buch“).
Die Dialoge werden umfangreicher, die Themen vielfältiger. Die Mutter greift kindliche Kommunikationsinitiativen auf, reagiert überwiegend bestätigend und geht sparsam mit expliziten Korrekturen um.
In der kindlichen Sprache sind noch interessante Assoziationen zu lautlich ähnlichen Wörtern zu beobachten.
Im Zeitraum vom 36. bis zum 40. Lebensmonat hat das Kind die grundlegenden Strukturen seiner Muttersprache erlernt. Es kann nun fließend sprechen und die Sprache im Rahmen seiner näheren Erfahrungswelt verstehen.
Schwierige Lautbildungen, die in der früheren Entwicklungsphase möglicherweise eine Herausforderung darstellten, werden nun fast problemlos bewältigt.
Das Kind bildet verständliche Mitteilungen in Form von Sätzen und kann sich auch mit Kommunikationspartnern verständigen, die keine Vorkenntnisse über den Inhalt der Mitteilung haben.
In diesem Stadium zeigt das Kind ein wachsendes Wissensbedürfnis, das es gerne im Dialog mit anderen erfüllen möchte. Es beginnt verstärkt, „Warum“-Fragen zu stellen, um mehr über die Welt um es herum zu erfahren und das eigene Verständnis zu erweitern.
Durch diese neugierigen Fragen erforscht das Kind seine Umgebung und entwickelt ein tieferes Verständnis für Ursache-Wirkung-Zusammenhänge und den Aufbau seiner Erfahrungswelt.
Obwohl das Kind über einen grundlegenden lexikalischen und grammatikalischen Bestand seiner Muttersprache verfügt, so ist doch offensichtlich, dass die Entwicklung dieser sprachlichen Formen und Gebrauchsweisen noch lange nicht abgeschlossen ist.
Damit es in verschiedenen Anforderungssituationen seiner Umwelt sicher und effizient mitteilen kann, muss es weiterhin neue Fertigkeiten erwerben – v.a. bei der Darstellung von Ereignissen in Vergangenheit und Zukunft
sowie dem Gebrauch von Neben- und Passivsätzen, um Beziehungen wie Ursache, Folge, Zweck und Vergleich auszudrücken.
Nicht nur die Produktion sprachlicher Handlungen ist relevant, auch die Kompetenz des Kindes bei deren Anwendung muss weiter entwickelt werden.
Dazu gehören u.a. Anredeformen, institutionelle Gebrauchsweisen, Äußerungen, die Höflichkeit ausdrücken sowie indirekte sprachliche Handlungen und müssen bis ins Schulalter hinein stetig ausgebaut werden.